Zwangsstörungen & Corona – auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e. V. Hamburg habe ich diese Pressemeldung vom 30. März 2020 entdeckt und euch für einen optimierten Lesefluss den Text einkopiert:
Deutschland erlebt die Welt der Zwangserkrankungen
Das Coronavirus hat Deutschland in eine Art Ausnahmezustand versetzt. Wir sind aufgefordert Abstand voneinander zu halten, uns regelmäßig gründlich die Hände zu waschen, Druckknöpfe z. B. in Bussen zu meiden und Handschuhe zu tragen. Unsere Arbeit sollen wir im Homeoffice erledigen und nach Möglichkeit die Wohnung nicht verlassen. Diese schweren Lebensumstände sind für etwa 2 Millionen Deutsche mit Zwangserkrankungen Alltag. Bei Menschen mit Zwangserkrankungen bestimmen Gefühle von Angst, Ekel oder Scham den Tag. Betroffene von Kontaminationsängsten kennen den Alltag nur so, wie es die Prävention für den Coronavirus jetzt der gesamten Bevölkerung vorschreibt. Menschen mit Zwangserkrankungen waschen, putzen, kontrollieren aus Angst, sich und andere mit Bakterien zu infizieren, oder schuld zu sein, wenn das Haus abbrennt, weil der Herd nicht ausgeschaltet war. Die Zwangsrituale können über viele Stunden andauern und sich so stark ausweiten, dass eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kaum mehr möglich ist. Die Ursache für Zwangserkrankungen können eine genetische Veranlagung oder belastende Lebensereignisse, wie Traumen, sein. Eine Zwangserkrankungen entwickelt sich in der Regel um das zwanzigste Lebensjahr. Da Betroffene ihre Erkrankung aus Angst oft verheimlichen, dauert es vielfach 5 bis 7 Jahre bis sie sich an einen Arzt oder Psychotherapeuten wenden. Die Ängste der Menschen mit Zwangserkrankungen bestehen nur in ihrer Vorstellung, was sich von der realen Gefahr des Coronavirus unterscheidet. Für Zwangserkrankungen gibt es mit der Verhaltenstherapie einen erfolgversprechenden Ansatz. Für das Coronavirus wird es hoffentlich bald eine Therapie oder Impfung geben. Für die Zeit nach der Corona-Krise ist zu erwarten, dass die Zahl von zwangserkrankten Menschen steigen wird, weil die Angst vor Viren schwerer zu bekämpfen ist, als die Viren selbst. Es ist zu hoffen, dass dann vermehrt Plätze für die psychotherapeutische Behandlung angeboten und finanziert werden. Jetzt auf dem Höhepunkt der Krise muss sich niemand schämen, z. B. mit Handschuhen durch den Tag zu gehen. Oder anders gesagt, Menschen mit Zwangserkrankungen fallen nicht mehr aus dem Rahmen. Vielleicht hilft dies den Betroffenen, die Verheimlichung der Zwangserkrankung aufzugeben.
Die Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e. V. (DGZ) ist ein 1995 gegründeter gemeinnütziger Verein mit Sitz in Hamburg. Aufgabe und Anliegen der DGZ ist es, Zwangserkrankungen in all ihren Erscheinungsformen öffentlich zu machen und durch geeignete Maßnahmen zu bekämpfen. In der DGZ engagieren sich Wissenschaftler, Ärzte und Psychologen sowie Betroffene und Angehörige gemeinsam gegen die Zwangserkrankung.
Kontakt:
E-Mail: zwang@t-online.de
Webseite: http://www.zwaenge.de
Meine Gedanken dazu: ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie es Betroffenen geht, die momentan unter dieser Zwangsstörung leiden. Viele Eltern machen sich auch Sorgen, dass sie eine Generation aufziehen, die Zwangsstörungen entwickelt und sie versuchen alles, um dagegen anzukämpfen.
Wie die DGZ schreibt, kann die jetzige Corona-Situation tatsächlich der Auslöser für viele Neuerkrankungen sein, weil die Angst vor Viren schwerer zu bekämpfen ist, als die Viren selbst. Es gibt aber gute Behandlungsmöglichkeiten und sie hofft, dass die Betroffenen ihre Krankheit nicht mehr verheimlichen, da in der Öffentlichkeit z.B. das Tragen von Handschuhen nicht mehr aus dem Rahmen fällt und sie sich nicht mehr schämen müssen. Das würde ich mir auch wünschen: den offenen Umgang und die Entstigmatisierung dieser Krankheit. Gemeinsam schaffen wir es!
Ich bin dankbar, dass ich meine schlimmen Zwangsstörungen überwunden habe. 2008 hatte ich u.a. den schlimmen Zwangsgedanken, ich könnte jemanden mit irgendwas wie Viren oder Bakterien anstecken, weil ich mir z.B. die Hände nicht richtig gewaschen habe. Das führte zu der Zwangshandlung, dass ich mir immer und immer wieder die Hände waschen musste.
Wenn ich mir überlege, ich hätte diese Zwangsstörungen in der jetzigen Corona-Virus Situation, ich würde das Haus nicht mehr verlassen können. Einkaufen im Supermarkt undenkbar und es hätte sicherlich zu einer Endlos-Schleife von Händewaschen geführt.
Mit meinem Wissen von heute und allem, was in meiner Therapie gelernt habe, kann ich glücklicherweise gut damit umgehen. Da ich weiß, dem Zwang (z.B. vor Angst vor Viren) darf nicht nachgegeben werden: sachlich bleiben und Achtsamkeit ist der Schlüssel. Zwangsstörungen & Corona – bin ich jetzt aufgrund meiner früheren Zwangsstörungen tatsächlich mal im Vorteil 😉 ??
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