Achtsamkeitsbasierte Therapie für Zwangsstörungen

Achtsamkeitsbasierte Therapie für Zwangsstörungen

Achtsamkeitsbasierte Therapie für Zwangsstörungen : es ist schon etwas länger her, dass ich euch diesen Blogpost versprochen haben. Ich weiß. Ich weiß. Jedoch muss ich etwas weiter ausholen, um die Frage verständlich beantworten zu können.

Jetzt folgen also erst mal ein paar Fakten über die S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Zwangsstörung. Scrolle gerne weiter runter, wenn du nur die Antwort lesen möchtest.

Fakten:

„Nach der aktuellen „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS1) stellt die Zwangsstörung mit schätzungsweise 2,3 Millionen Betroffenen die vierthäufigste psychische Erkrankung dar (Jacobi et al, 2014). Bei einer insgesamt niedrigen Behandlungsrate vergehen oft viele Jahre, bis betroffene Patienten professionelle Hilfe aufsuchen. Leider wird häufig auch dann die Diagnose einer Zwangsstörung nicht gestellt Und obwohl gut wirksame Behandlungsmöglichkeiten existieren, werden diese zu wenig eingesetzt. Die erste deutschsprachige evidenz- und konsensusbasierte S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Zwangsstörungen, die im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) erstellt wurde, verfolgt das Ziel, die Versorgung der betroffenen Patienten zu verbessern. 25 Fachgesellschaften beteiligten sich, darunter die Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen (DGZ) als Selbsthilfevereinigung.

Kurzzusammenfassung

Aufgrund einer überwältigenden evidenzbasierten Datenmenge stellt die störungsspezifische kognitive Verhaltenstherapie den Goldstandard der Behandlung für alle Zwangspatienten dar. In abgeschwächter Form liegt allerdings auch ein Wirkungsnachweis für die spezifischen psychopharmakologischen Strategien vor.

Es folgt die komprimierte Ausführung einiger wichtiger Empfehlungen
(Empfehlungsgrade in Klammern:  A= „soll“-, B= „sollte“-, 0= „kann“-Empfehlung, KKP=Klinischer Konsenspunkt):

  • Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) stellt das am besten untersuchte Psychotherapieverfahren der Zwangsstörung dar und zeigte sehr hohe Effektstärken. Die störungsspezifische KVT, einschließlich Exposition und Reaktionsmanagement, ist daher die Psychotherapie der ersten Wahl (Empfehlungsgrad A).
  • Die Psychopharmakotherapie mit SSRI und Clomipramin ist in ihrer Wirksamkeit ebenfalls gut belegt (A), sollte jedoch als Monotherapie nur zum Einsatz kommen, wenn die KVT abgelehnt wird, nicht verfügbar ist oder wegen der Schwere der Symptomatik nicht durchgeführt werden kann (KKP).
  • Falls eine medikamentöse Therapie indiziert ist, sollen SSRI (in Deutschland zugelassen: Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin) angeboten werden (A). Diese Medikamente sollten bis zu den maximal zugelassenen therapeutischen Dosierungen eingesetzt werden, da dann eine stärkere Wirksamkeit zu erwarten ist (B).
  • Clomipramin ist vergleichbar wirksam mit SSRI soll jedoch aufgrund der Nebenwirkungen zur Behandlung von Patienten mit Zwangsstörungen nicht als erste Wahl zum Einsatz kommen (A). Andere trizyklische Antidepressiva sind in der Behandlung von Zwangsstörungen nicht wirksam (A), Venlafaxin sollte zur Behandlung von Patienten mit Zwangsstörungen nicht als Medikament erster Wahl eingesetzt werden (B). Buspiron ist nicht wirksam, ebenso Clonazepam und andere Benzodiazepine (A).
  • Die psychopharmakologische Therapie mit SSRI/Clomipramin soll mit einer KVT kombiniert werden, weil dadurch zusätzliche und nachhaltige Therapieeffekte zu erzielen sind (A).
  • Andere medizinische Verfahren wie die transkranielle Magnetstimulation (A), Elektrokonvulsionstherapie (B), ablative neurochirurgische Verfahren sollten bei therapierefraktären Zwangsstörungen nicht durchgeführt werden(B). Die beidseitige tiefe Hirnstimulation kann unter kritischer Nutzen-/Risikoabwägung bei schwerst betroffenen Patienten mit therapierefraktärer Zwangsstörung erwogen werden (0).
  • Bei ausbleibendem oder unzureichendem Ansprechen (insbesondere bei Vorliegen von komorbiden Tic-Störungen) auf eine leitliniengerechte Therapie mit SSRI/Clomipramin sollte als Augmentation eine zusätzliche Therapie mit den Antipsychotika Risperidon, Haloperidol oder mit Einschränkung Quetiapin angeboten werden. Bei Nicht-Ansprechen auf die Augmentation sollten die Antipsychotika spätestens nach 6 Wochen abgesetzt werden (B).

Die vollständigen Texte der Leitlinie finden Sie hier=>

Quelle: S3 Leitlinie Zwangsstörungen – Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. (zwaenge.de)

Antwort Achtsamkeitsbasierte Therapie für Zwangsstörungen:

  • ACT (Akzeptanz- und Commitmenttherapie ) & MBCT (achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie) werden in den neuen S3-Leitlinien erstmals beide eine 0- Empfehlung (= „kann angewandt werden“) bekommen.
  • Eine aktuelle Metaanalyse legt Wirksamkeit achtsamkeitsbasierter Interventionen bei Zwängen nahe
  • Bislang nur kleine Anzahl an Studien -> weiterer Forschungsbedarf
  • Aktuelle Diskussion: Könnten achtsamkeitsbasierte Ansätze insbesondere hilfreich sein bei: Starker Identifikation mit intrusiven Gedanken, niedriger Emotionstoleranz, automatisierte Zwangshandlungen und mangelndem Selbstmitgefühl? (Z.B.Strauss et al., 2018, Leeuwerik et al, 2020)

Quelle: Vortrag von Dr. Anne Külz auf der DGZ Jahrestagung 2022

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