
Entstigmatisierung. Wir alle kennen das Wort Stigma im Kontext mit psychischen Erkrankungen. Natürlich wollen wir das ändern. Und was sagen wir dann oft? „Ich möchte entstigmatisieren.“ Das ist Haltung. Eine starke Aussage. Aber ist sie das wirklich?
Die Falle der Entstigmatisierung
Am Anfang fühlte es sich gut an, Teil der „Entstigmatisierungsbewegung“ zu sein. Ich schrieb Posts, redete über OCD, zeigte mich verletzlich, benutzte Hashtags wie #endthestigma oder #mentalhealthawareness.
Doch irgendwann merkte ich, irgendwie fühlt es sich gar nicht gut an. Ich saß da, schrieb über die Entstigmatisierung und bemerkte: Ich reproduziere das Stigma gerade. In mir. Gegen mich. Denn jedes Mal, wenn ich sagte „Ich will entstigmatisieren“, sagte ich auch (unausgesprochen): „Da ist ein Stigma.“ Ich begann zu reflektieren. Könnte es sein, dass ich Selbst-Stigma habe? Dass ich dachte, andere könnten mich stigmatisieren und es war gar nicht so. Bekam ich doch nach jedem Gespräch, indem ich offen über meine Zwangsstörung sprach, positives Feedback. Ich spürte, das war nicht mehr Empowerment. Also habe ich für mich beschlossen, dass ich nicht mehr gegen das Stigma spreche.
Was ich stattdessen tue? Ich kläre auf
Ich spreche über Zwangsstörungen. Ich erkläre, was intrusive Gedanken sind. Ich teile, wie kognitive Verhaltenstherapie mir geholfen hat. Ich beschreibe, wie sich Zwang anfühlt. Weil ich glaube: Wissen hilft auf dem Weg zur Heilung. Wissen verbindet. Wissen löst Missverständnisse auf.
Entstigmatisierung richtet den Blick auf das, was andere über mich denken könnten. Aufklärung beginnt bei mir. Mit dem, was ich erzählen möchte. Ich kann erklären, was OCD ist, ohne mich in einer Rolle zu verlieren. Ich kann sprechen, ohne zu „beweisen“, dass ich wertvoll bin – ich bin es einfach. Ich bin ein Mensch mit einer Geschichte. Und manchmal ist die sogar lustig. Manche Zwangshandlungen können super lustig sein.
Fazit: Aufklärung ist Freiheit
Ich will nicht gegen das Stigma kämpfen. Ich will frei davon leben. Aufklären statt entstigmatisieren. Aufklären heißt für mich: Ich muss nichts beweisen. Ich bin ehrlich. Ich bin authentisch. Und ich tue das nicht, trotz meiner Erkrankung, sondern mit ihr, wegen ihr.
Wenn wir offen, klar und freundlich erzählen, entsteht Verbindung und Verständnis. Ganz von selbst.
P.S. Du bist nicht allein. Lass uns zusammen aufklären, statt uns selbst zu erklären.
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